Zum Inhalt springen

Daß ich erkenne, was die Welt
Im Innersten zusammenhält…(Faust I)

Zum besseren Verständnis der Herstellung von Pigmenten oder des Zerfalls von historischen Werkstoffen forschen die Konservierungswissenschaften nach dem inneren Aufbau der gebildeten Verbindungen. Elektronen- und Ramanmikroskope, die an der Akademie im Labor für Archäometrie und Konservierungswissenschaften vorhanden sind, sind dabei wertvolle, in ihren Erkenntnismöglichkeiten aber limitierte Werkzeuge. Häufig geht es um Salze Kohlenstoff-haltiger Säuren wie Carbonate, Formiate und Acetate. Einige, wie z.B. Grünspan, wurden intentionell mit geeigneten Ausgangsstoffen (z.B. Essig) hergestellt, andere entstehen bei Zerfallsreaktionen mit der Atmosphäre (Luftfeuchtigkeit und Kohlendioxid bzw. Carbonylverbindungen als Innenraum-Luftschadstoffe). Die Verbindungen haben das Potential metallorganische Gerüste („metal organic frameworks“, MOFs) zu bilden. Darin werden gemischte Strukturen aus organischen und anorganischen Baueinheiten mit einer Vielzahl interessanter Eigenschaften gebildet. MOFs stehen daher im Fokus gegenwärtiger materialwissenschaftlicher Forschung.

Die genaue Zusammensetzung vieler dieser auf Artefakten vorkommenden Verbindungen ist nicht bekannt. Oft konnten für die herkömmliche Kristallstrukturbestimmung geeignete Einkristalle weder in Proben aufgefunden, noch im Labor gezüchtet werden. Die Datenanalyse moderner hochauflösender Röntgen-Pulverdiffraktionsmessungen (XRPD) hat das Potential, dieses Problem zu umgehen (Dinnebier et al. 2016). In zwei Pilotstudien konnten bereits die Kristallstrukturen von einem häufig auftretenden Natrium-Kupferformiat (Dinnebier et al. 2015) und von Thecotrichit (Wahlberg et al. 2015), einer Ausblühung auf kalkhaltigen Objekten, gefunden werden. In beiden Fällen wurden in der Literatur angenommene Summenformeln korrigiert.

Daher sollen unbekannte natürlich auftretende oder künstlich gewonnene Korrosionsprodukte entweder in Proben von Objekten oder aus Laborsynthesen mit XRPD untersucht werden:

  • Viele historische Glasobjekte enthalten auch Metallteile. Glashydrolyse kann Korrosion an benachbarten Metallen verursachen. Unbekannte Kupfer-, Zink- und Blei-Verbindungen mit Natrium oder Kalium (aus dem Glas) und den Säurerestionen kurzkettiger, Kohlenstoff-haltiger Säuren (aus der Luft) sollen studiert werden.
  • Kalkhaltige Artefakte oder zoologische Sammlungsstücke (Muscheln, Schneckenhäuser etc.) entwickeln bei Aufbewahrung in Holzschränken wegen deren Emission von organischen Säuren Calcium- und Acetat-haltige Phasen, einige enthalten auch Formiate unbekannter Struktur.
  • Basische Kupferacetate wurden als Pigment Grünspan seit mehr als zwei Jahrtausenden durch artifizielle Korrosion hergestellt. Die meisten dabei auftretenden Phasen bedürfen noch der Kristallstrukturaufklärung, deren Konstitution ist in vielen Fällen ebenso noch nicht sicher bestimmt.

Während des dreijährigen, von der DFG geförderten Projekts (Beginn: 1. Jan. 2017) sollen eine Reihe von Kristallstrukturen gelöst und hierdurch, ergänzt durch korrespondierende Analysen, die Summenformeln bestimmt werden. Das wird dabei helfen, die zugrunde liegenden Herstellungs- bzw. Zerfallsprozesse besser zu verstehen. Damit soll letztlich ein Beitrag zum übergeordneten Ziel der Konservierungswissenschaften geleistet werden: der Erhaltung von Artefakten zum Wohle der ganzen Menschheit.

Erste Ergebnisse des Projektes konnten von Bette et al. (2017d) bereits in einem Übersichtsartikel in den Nachrichten aus der Chemie, der größten deutschsprachigen Chemie Fachzeitschrift, vorgestellt werden.

Projektleitung

Prof. Dr. Gerhard Eggert

Kooperationspartner

Prof. Dr. Robert Dinnebier
Max-Planck-Institut für Festkörperforschung

Projektmitarbeiter

Dr. Sebastian Bette
Max-Planck-Institut für Festkörperforschung