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Die Frage, wem Grund und Boden gehören, stellt sich jeden Tag. Sie bestimmt die Diskussion über den Verlauf von Landesgrenzen, sie berührt die Kritik an der Ausbeutung von Ressourcen, sie bedingt die Unzufriedenheit über die steigende Miete des eigenen WG-Zimmers. Die Teilnehmer*innen des Seminars »Mapping Territories«, das im Wintersemester 2020/2021 unter Leitung von Claudia Nitsche und Achim Reese stattfand, haben das Thema von verschiedenen Seiten belichtet. Viele der Untersuchungen lassen dabei erkennen, dass die Ausbildung von Territorien als Macht- und Einflusszonen mehr und mehr ökonomischen Interessen folgt, während andere Beiträge verdeutlichen, dass die  Definition eines Territoriums auch Instrument wie Ausdruck staatlicher und religiöser Macht ist. Demgegenüber stehen Versuche, Grund und Boden zu vergemeinschaften, um sie zum Wohnen oder Lebenserhalt einer größeren Gruppe zugänglich zu machen.

 

Mit dem sogenannten land grabbing hat sich Aylin Büyükleyla befasst. Am Beispiel Kambodschas untersuchte sie, wie es längst nicht mehr allein staatliche Akteure, sondern zunehmend auch international agierende Unternehmen sind, die sich insbesondere in tropischen Regionen die langfristige Kontrolle über ganze Landstriche zu sichern versuchen. Indem er sich mit der Entwicklung des Wohnungsmarktes und folglich dem Verständnis des Raums als einer Ware auseinandersetzte, gelangte Xander Wilhelm zu dem Schluss, dass eine Wohnraumproduktion, die zuvorderst den Gesetzen des Marktes und der Idee des Privateigentums folgt, gerade in Krisenzeiten an den Bedürfnissen vorbeigeht. Dass eine solche marktgetriebene Entwicklung mit neuen Formen des Wohnens, aber auch einem veränderten Begriff der Stadt einhergehen kann, hat Carolyn Brändle anhand der gated communities aufgezeigt, die längst auch in Europa angekommen sind. Evident wird eine Trennung  zwischen öffentlichem Stadtraum und einer ‚abgehobenen‘ privaten Sphäre schließlich auch in der Arbeit Christoph Geigers, der sich mit dem Streben in die Höhe befasst hat – ganz gleich ob in Form von Wolkenkratzern oder privaten Helikoptern.

 

Welch verheerenden Konsequenzen auch jüngere technische Entwicklungen haben können, zu deren Gunsten auch der Schutz des Klimas angeführt wird, wird anhand des Lithium-Abbaus in Südamerika deutlich. Lilly Rosa Wellner verdeutlichte, wie die Förderung des Elements, das in Akkus Verwendung findet und damit eine klimafreundliche Mobilität ermöglichen soll, mit weitreichenden Umweltzerstörungen einhergeht: In der Absicht, die Städte grüner zu machen, wird das Umland rücksichtslos ausgebeutet. Nicht minder ambivalent nimmt sich das Phänomen der smart city aus, das, gleichfalls unter Verweis auf den Klimaschutz legitimiert, im Mittelpunkt des Interesses von Chang Chih-Yu stand. Sie konnte darstellen, dass die Territorien in der intelligenten Stadt zunehmend digital abgesteckt werden, sodass ihre Grenzen dadurch zunächst unsichtbar bleiben.

 

Werden die Konturen des Territoriums somit immer fluider, gilt die Untersuchung von Simon Ruof einer physischen Grenze von enormen Ausmaßen: Ausgehend von seinen eigenen Erfahrungen vor Ort setzte er sich mit der Grenzmauer zwischen Israel und dem Westjordanland auseinander und beschreibt aus seiner Perspektive als Gast, wie die Barriere insbesondere das Leben in den Autonomiegebieten bestimmt. Lena Kruse hingegen zeigte, dass der Klostermauer eine besondere Bedeutung bei der Sicherung der staatlichen und religiösen Macht der spanischen Konquistadoren in Lateinamerika zukam. Auf diese Weise sei zugleich auch die gesellschaftliche Rolle der Frau festgeschrieben worden.

 

Die räumlichen Konsequenzen einer gleichzeitigen Emanzipationsbewegung hat Carla Nordmann erläutert, die sich in ihrer Arbeit mit den Siedlungen der Utopischen Sozialisten befasst hat. Tsz Yan Ho hingegen machte am Beispiel der Französischen Revolutionsarchitektur deutlich, wie Rousseaus Vorstellungen einer gerechteren Welt die stadtplanerischen Visionen des ausgehenden 18. Jahrhunderts bestimmten. Wenn in der Gegenwart über die Möglichkeiten der Allmende als eines gemeinschaftlichen Landbesitzes diskutiert wird, sind es oftmals die widerstreitenden Theorien des Ökologen Garrett Hard und der Politikwissenschaftlerin Elinor Ostrom, die von Ellen Bortenschläger vorgestellt wurden. Entsprechend hat Fiona Hager verschiedene kollektive Wohnformen vorgestellt und dabei auch auf die kritischen Aspekte, wie etwa die soziale Homogenität, hingewiesen, wie sie für viele Baugruppen charakteristisch ist. Schließlich wurde durch Regina Stolz analysiert, welche Wie Möglichkeiten sich den deutsche Städten bieten, den steigenden Bodenpreisen und Mieten durch innovative Entwicklungs- und Vergabeprozesse zu begegnen.

 

Weitere Studierendenarbeiten und Informationen zum Lehrstuhl Architekturgeschichte und -theorie / Designtheorie sind hier zu finden.