Die drei Grazien, Leif Kauz-Zeller
Inhalt
Die Worte »Etwas verlassen« lassen sich von ihrem rein räumlichen Verständnis auch auf das Fliehen und Verlassen eines festen, traditionell tradierten Systems übertragen. Eben ein solches System ist das Patriarchat und das binäre Geschlechtersystem, in welchem Menschen seit Jahrhunderten leben, aber auch Gewalt erfahren. Diese Gewalt schlägt sich auch in euphemistischer Weise in der Kunst nieder, so berichtet Ovid in seinen Metamorphosen meist von Liebesgeschichten, die sich bei genauerem Hinsehen als wenig kaschierte Vergewaltigungsschilderungen herausstellen. Nur in wenigen Fällen werden diese Gewalttaten als das benannt was sie sind. Diesen traditionell angestammten Raum des Patriarchats sowie dessen kulturell objektivierte Verfestigung (z.B. in Werken der Kunst) bewusst zu verlassen, ihm zu entfliehen, um sich von dem mit ihm verbundenen Leid zu befreien, ist ein Akt des Widerspruchs, des Widerstands. Aber auch eine Art Flucht in der Hoffnung auf ein freies Exil, auf ein neues Arkadien. Diesen Akt des Widerstands und der Hoffnung thematisiert diese, auf ein in der Kunstgeschichte immer wieder behandeltes Motiv zurückgreifende, Arbeit »Die drei Grazien«. So werden die Grazien hier zwar immer noch nackt dargestellt, doch nicht mehr als Objekt der Lust für das historisch meist männliche Publikum, sondern als die Darstellung dreier noch selbst ihrer verletzlichen Nacktheit bewusster Menschen, die sich in verschiedenen Hinsichten mit sich, ihrem Körper aber auch mit den ihnen zugeschriebenen Rollen auseinandersetzen und sich gewissermaßen auf einen Kampf mit ihrer Umwelt vorbereiten. Unterstrichen werden soll dieses Entfliehen und gleichzeitige Aufbegehren durch den formalen Rückgriff auf eine historisierende Malweise, mit der sich der Maler bewusst einem Raum, dem Raum einer modernen Malerei, deren Inhalt meist nur auf formale Aspekte ausgerichtet ist, entzieht und so eine Verbindung zu den Ursprüngen der europäischen Malerei hält, ohne dabei nur eine belanglose Wiederholung überkommener Traditionen zu bieten. Denn gerade in diesem zunächst anachronistisch anmutenden Auflehnen gegen ein zeitgenössisches Malereiverständnis entsteht ein Spannungsfeld, in dem ein Austausch von Überkommenen mit aktuellen Fragen und Entwicklungen stattfindet. Ein Spannungsfeld in dem sich etwas Neues, dem Gewohnten Widersprechendes bildet und alte und neu gesellschaftliche sowie ästhetische Gewohnheiten in einen Dialog