Giovanni Battista Piranesi und seine Werkstatt: Zwei neu identifizierte Alben in Karlsruhe
Inhalt
Im Jahr 2014 führte die Neuzuschreibung von zwei großformatigen Alben mit knapp 300 Zeichnungsblättern an die Werkstatt des römischen Radierers, Architekten, Theoretikers und Antiquars Giovanni Battista Piranesi (1720–1778) zu einem fundamentalen Perspektivwechsel auf das Schaffen Piranesis. Im Verlauf des fünfjährigen Forschungsprojekts wurde eine vor allem für Piranesis römischen Werkstattbetrieb relevante Forschungsbasis geschaffen, vor allem mit Bezug auf Piranesis umfassenden zeichnerischen Einfluss auf die europäische Antikenrezeption. Die Zeichnungen wurden in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe kunsthistorisch und kunsttechnologisch verzahnt erforscht unter Einbeziehung der einschlägigen europäischen und außereuropäischen Sammlungen.
Projektinhalte
Die kunsthistorische Forschung belegte, dass Piranesi und seine Werkstatt sich schon Ende der 1740er und zu Anfang der 1750er Jahre zeichnerisch intensiv mit Themen auseinandersetzten, die Eingang in sein Druckwerk fanden, beginnend mit der Erstauflage seines vierbändigen archäologischen Opus Antichità Romane von 1756. Zu Anfang der 1760er Jahre vollzog sich in Piranesis vielfältigen verlegerischen und antiquarischen Unternehmungen ein grundlegender Wandel. Begleitend zur Produktion von Graphiken befasste er sich mehr und mehr auch mit Fragen des Designs wie etwa der Produktion von Marmorkaminen oder Möbeln, mit dem Verkauf von antiken Marmorstatuen und Bauelementen sowie marmornen Neuschöpfungen all’antica. Der Großteil der Karlsruher Zeichnungen entstand innerhalb Piranesis Werkstatt, einige wurden von ihm überarbeitet und viele, von externen Künstlern geschaffen, wurden nachträglich in die Motivsammlung der Werkstatt aufgenommen.
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Die restauratorische Forschung konzentrierte sich unter den Zeichenmedien auf Rötel, der für das dokumentarische Zeichnen nach Antiken und für das Kopieren von Zeichnungen mittels Abklatsch und Pause umfänglich genutzt wurde. Die häufig für Vorzeichnungen und Kopiertechniken verwendeten Rötelkreiden wurden anhand mikroskopisch differenzierbarer Merkmale und durch FORS Messungen (faseroptische Reflexionsspektroskopie) ausgewertet. Auffällig waren zudem von Piranesi häufig genutzte, künstlich hergestellte, bindemittelreiche schwarze Stifte, die hier als künstlerisches Zeichenmittel in einem Werkkomplex des 18. Jahrhunderts deutlich hervortreten. Insgesamt hat die materialtechnische Erschließung der Zeichnungen die minutiösen, häufig mehrstufigen Prozesse künstlerischen Schaffens fassbar gemacht.
Bei den Papieren wurden zwei große Gruppen italienischer und holländischer Papiere identifiziert. Diese Wasserzeichen wurden digital aufbereitet in das Wasserzeicheninformationssystem des Landesarchivs Baden-Württemberg eingepflegt. Über die Wasserzeichen konnten Bezüge zwischen einzelnen Zeichnungen in den Karlsruher Alben und Werken in anderen Sammlungen hergestellt werden (Hamburger Kunsthalle, der National Gallery of Art in Washington und der Morgan Library & Museum in New York).
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Die Spuren historischer Nutzung umfassen ein breites Spektrum unterschiedlicher Phänomene, darunter Ölflecke, Ablagerungen von Rötelstaub und anderen, eventuell mit der Anfertigung von Drucken verbundenen Substanzen sowie Kontaktabdrücke von Pausen. Zahlreiche Spuren früherer Montierungen belegen zudem mindestens eine, fallweise auch zwei Phasen der Sicherung, die erste davon vermutlich noch in Rom, eventuell kurz nach Piranesis Tod 1778.
Die Auswertung wurde von Durchlichtfotografie, Mikroskopie und multispectral imaging (MSI, in Kooperation mit Annette Keller, artIMAGING) unterstützt. Mit MSI wurden alle Zeichnungen fotografisch hochauflösend dokumentiert.
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Online Präsenz und Publikationen
Die Datenbank „In Piranesis Werkstatt: Die Karlsruher Alben“ präsentiert die kunsthistorischen und restauratorischen Forschungsergebnisse (deutschsprachig, ausgewählte Teile englischsprachig) sowie einen explorativen Zugang:
Den Katalogeinträgen sind hochauflösende Bilder zugeordnet (u.a. Durchlicht- und Multispektralbilder VIS, UVR, UVF, UVFC, IRR, IRFC) sowie Wasserzeichendokumentation. Ausgewählte Zeichnungen sind ausführlich beschrieben. Die restauratorischen Essays (piranesi.kunsthalle-karlsruhe.de/de/essay/2) behandeln u.a. die Albumstruktur, die Wasserzeichen, die zeichnerische Abklatschtechnik, und die Werte der historischen Nutzungsspuren.
Publikationen
Publikationsliste der Projektseite
piranesi.kunsthalle-karlsruhe.de
Autor*innen
Maria Krämer, Judith Becker, Irene Brückle, Lorraine Bryant, Johannes Gfeller, Natascha Wichmann.
Autor*innen aus der restauratorischen Forschung
Maria Krämer, Irene Brückle, Ute Henniges, Laura Lenfant, Kirsten Drüppel.
Projektpartner
Auf der Projektwebsite werden Antragsteller, Forschungspartner, Verantwortliche für die Forschungsplattform, wissenschaftliche Essays und wissenschaftliche Bilddokumentation sowie Beitragende zur Realisierung der Forschungsplattform genannt:
Förderung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Projektnummer 323516160
Förderzeitraum
2017 bis 2021