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Dieses Semester stand das Thema Buchrestaurierung auf dem Programm und das Restaurierungsprojekt der Wahl ist ein Märchenbuch, das Anfang des 20. Jahrhunderts vom Verlag von J.F. Schreiber, Esslingen & München, herausgegeben wurde. Es handelt sich um eine Sammlung nach den Gebrüdern Grimm und Anderen. Insgesamt beinhaltet sie 27 Märchenerzählungen mit Illustrationen, teils schwarz-weiß, teils in Farbe. Die Einbandart ist ein Halbgewebeeinband. In diesem Fall sind der Buchrücken und die Ecken mit rotem Gewebe bezogen, während die Buchdeckelflächen mit Papier bedeckt sind. Der Einband weist starke Gebrauchsspuren auf, aber besitzt keine kritischen Schäden, die die Benutzung einschränken würden. Das Innenleben zeigt sich allerdings nicht so gnädig. Die Akkumulation aus Seiten, der Buchblock, ist stark geschädigt. Die zu Lagen zusammengefassten Blätter werden durch Heftklammern, wie man sie vielleicht heute aus Tackern kennt, zusammengehalten. Das Problem bei dieser Bindungsmethode ist, dass das Metall der Klammern korrodiert ist und das Papier an den Kontaktstellen angegriffen hat. Kurz um: Beim Aufschlagen des Buches kommt einem ein Großteil des Inhalts schon lose entgegen.Daher war der erste Schritt, nach einer trockenen Oberflächenreinigung, die Metallheftung aus dem Buchblock zu entfernen. Normalerweise ist das Auseinandernehmen der Seiten kein Regelfall, aber da hier die Stabilität und Funktionalität des Buchblocks nicht mehr gegeben war, ist die Entscheidung auf diese Maßnahme gefallen. Durch das Herausnehmen des Buchblocks kam der Einbandrücken von innen sehr gut zum Vorschein. Auf die Innenseite des Textil hat man eine Einlage aus Papier aufgeklebt. Dieses allerdings ist säurehaltig, was über die Jahre hinweg, dazu geführt hat, dass das Papier brüchig und spröde geworden ist. Außerdem hat der Klebstoff an Klebkraft nachgelassen, sodass sich der stark gealterte Papiereinsatz leicht mechanisch abnehmen ließ. Alle »Fundsachen« aus dem Buch, die Heftklammern, der Buchrückeneinsatz, etc. werden mindestens bis zur Vollendigung der Restaurierungsarbeiten aufgehoben und gesichert. Sie werden momentan zusammen mit dem Einband und dem separierten Buchblock in einer Mappe verwahrt. Um den Überblick über die separierten Lagen nicht zu verlieren, wurde ein sogenanntes Lagenprotokoll erstellt (in diesem Fall mit Hilfe eines freizugänglichen Programms »VISCODEX«). Dies ist eine Art der Dokumentation, die Aufschluss über die Zusammensetzung des Buchblocks und der einzelnen Lagen gibt. Es können die unterschiedlichsten Informationen darin untergebracht werden, wie zum Beispiel an welcher Stelle sich eine seitenfüllende Illustration befindet. Wie man vielleicht erkennen kann ist die Restaurierung an diesem Buch noch am Anfang. Der sehr grobe Plan für das weitere Vorgehen ist die Stabilisierung der Seiten, das erneute Heften der Lagen, die Aufbereitung des Einbandes und schließlich wieder das Zusammenführen von Einband und Buchblock. Das ist nur vereinfacht dargestellt das Ziel der nächsten Wochen. All diese Maßnahmen bergen in sich Herausforderungen, die gut durchdacht werden müssen, um letztendlich ein optimales Ergebnis erzielen zu können.